08. Juli 2023.
20 Uhr, Barnes Crossing.
TRY OUT und Gespräch.
An der Kunstform Tanz fasziniert uns, dass sie wie eine große Kreuzung funktioniert, an der viele Disziplinen und Ideen aufeinandertreffen. Tanz ist ein offenes Experimentierfeld, in dem Inspirationen und Formen, aus der Malerei, der Bildhauerei, aber auch Konzepte aus dem Kino, dem Comic, der Literatur oder den Naturwissenschaften wie Physik und Biologie, Platz haben.
Es ist der Plastizität des Tanzes zu verdanken, dass wir diese Kombination verschiedener künstlerischer Sprachen in die Praxis umsetzen und damit auch die Ideen, die aus dieser Synergie entstehen, vertiefen können.
Tanz erzeugt vielfältige Resonanzerfahrungen, weil er den Ausgangspunkt unserer aller Wahrnehmung zugleich auch als Mittelpunkt nimmt. Das verbindet. Das Erleben des Raumes lässt uns gemeinsam die Zeit anders wahrnehmen, und umgekehrt, das Erleben von Zeitlichkeit lässt uns den Raum anders wahrnehmen.
Unsere Gruppe nennen wir „El Cuco Projekt“, weil wir als Deutsch-Chilenische Gruppe in unserem Namen verschiedene Sprachen kombinieren wollten.
„El Cuco“ ist ein südamerikanisches Wesen ohne Gestalt, ein klassischer Kinderschreck. Ein Spiel des Unheimlichen, bei dem gerade das Nicht-Sichtbare viele Formen und Assoziationen hervorruft. Jedes Kind hat eine ganz individuelle Assoziation vom „El Cuco“, aber es hat nie eine ganz konkrete Form oder Erklärung. „Die Möglichkeit, dass…“, das ist was wirklich Angst macht. Trotz des figurativen oder deskriptiven Charakters unserer Masken gibt es viele Elemente in unseren Werken, die unvollendet oder offen für viele Möglichkeiten bleiben.
Unsere Zusammenarbeit begann als „Projekt“, in dem wir ausprobieren wollten tänzerisch mit „Tierköpfen“ zu arbeiten. Wir haben nicht erwartet, dass unser „Projekt“ sich im Laufe der Zeit zu einem „Biotop“ entwickeln würde…
Unser künstlerisches Wirken ist geprägt von unseren selbst geschaffenen hyperrealistischen Tiermasken auf menschlichen Körpern, die hybride Charaktere kreieren, deren Teile sich ergänzen und gleichzeitig widersprechen. Wir haben auch eine besondere Art, Humor mit unheimlichen Elementen zu kombinieren. Ein weiterer grundlegender Aspekt ist die Bewegungssprache, die wir verwenden, um sowohl Bewegungen von diversen Tieren zu übersetzen, als auch absurde Situationen des täglichen Lebens zu schaffen.
Die Auszeichnung mit dem Kölner Tanztheaterpreis bedeutet für uns… vor allem emotional sehr viel!
Für das Kollektiv bedeutet es z.B. eine Anerkennung der Tatsache, dass das Einbringen scheinbar fremder Elemente, wie z.B. realistische „Tierköpfe“, in den zeitgenössischen westlichen Tanz, ein ästhetischer Beitrag zum Tanzuniversum sein kann. Es kann auch mehr Aufmerksamkeit in der Kulturszene bedeuten, also mehr Publikum und gleichzeitig ein vielfältigeres Publikum, mit dem wir uns austauschen können. All das motiviert uns, weiter zu machen und in unseren zukünftigen Produktionen unsere ästhetische Auseinandersetzung zu vertiefen.
Dem Tanz in Köln wünschen wir für das Jahr 2023 wirtschaftliche und soziale Stabilität – das wünschen wir uns für die gesamte kreative Szene in Köln. Wir wünschen uns professionelle, geschützte Räume und Zeit, um neue Arbeiten zu produzieren und Repertoire Stücke regelmäßig mit Publikum teilen und damit verfeinern zu können. Um möglichst vielen Ideen, die wir und unsere Kolleg:innen haben, Form und Ausdruck zu geben. Künstlerische Freiheit und Frieden, das wünschen wir in diesen Zeiten all unseren Kolleg:innen – weltweit.